MusikLeben 3 - Colin Vallon

Ane Hebeisen - Interview
Der Bund, 17.11.2010

 

Ohne Masterplan

Colin Vallon

Der Berner Pianist Colin Vallon gehört zu den angesehensten Schweizer Jazzern der Gegenwart. Am 17. November feiert Vallon seinen 30. Geburtstag mit einer Carte blanche.

Sie erhalten enthusiastische Kritiken im amerikanischen «Downbeat» oder in der «Zeit», Sie touren mit Ihrem Trio oder mit Ihrer Partnerin Elina Duni erfolgreich durch die halbe Welt. Welchen Nerv trifft der Colin Vallon?

Ei, das hab ich mich auch schon öfter gefragt, ohne eine Antwort gefunden zu haben. Ein wichtiger Faktor ist sicherlich das Glück. Mir kam zugute, dass mich Musiker wie Bänz Oester oder Norbert Pfammatter sehr früh in meiner Karriere gefördert haben und ich schon in jungen Jahren recht präsent war in der Schweizer Musikszene. Eine Erklärung für meinen Erfolg könnte sein, dass ich in meinem Spiel versuche, stets ehrlich zu bleiben. Ich will nicht klug oder interessant klingen und ich habe keine Hemmungen, auch Simples zu spielen.

Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein neues frisches Piano-Trio zum neuen heissen Ding erkoren wird. Es scheint nur so von jungen Pianisten zu wimmeln, die nicht nur mit Jazzmusik, sondern auch mit Indie- und Popmusik sozialisiert wurden. Wer wird diesen Hype überstehen?

Es werden jene überleben, die ohne Kalkül an die Sache herangehen. Ich bin mit Rock- und Popmusik aufgewachsen, mit Bands wie Nirvana oder Metallica, und ich habe eigentlich erst mit 14 begonnen, Jazz zu hören. Die Rockmusik wird immer ein Teil von mir sein, das ist ähnlich wie mit der ersten Liebe. Sobald diese Annäherung jedoch aus einer Berechnung entsteht, weil es eben gerade modisch und hip ist, dann wird das der Hörer merken.

Sie werden am Wochenende 30 Jahre alt. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz: Sind Sie ungefähr dort angekommen, wo es Ihr künstlerischer Masterplan vorgesehen hat?

Ich hatte nie einen Masterplan und werde auch nie einen solchen haben. Aber technisch bin ich noch längst nicht da, wo ich sein möchte. Ich muss noch viel üben. Doch die Dreissigermarke hat etwas Gutes: Ich entwachse langsam dem Stadium, in dem man in meinem Zusammenhang noch von einem Jungtalent sprechen kann. Ein furchtbarer Begriff. Als junger Jazzmusiker wirst du schnell zu einer Art Zirkusattraktion, es wird einzig auf die Virtuosität fokussiert. Das habe ich nun hoffentlich hinter mir.

Wohin könnte die Reise in den nächsten zehn Jahren gehen?

Ich kann nicht weit in die Zukunft schauen. Ich bin stets beeinflusst von Orten, von Menschen und von unterschiedlichster Musik. Im Moment höre ich sehr viel indische Musik, japanische Gagaku-Musik, Bach oder einen Singer-Songwriter wie Elliott Smith. Und ich übe momentan vornehmlich klassisch, wobei ich derzeit weniger auf die Fingerfertigkeit fokussiere, sondern auf die klanglichen Möglichkeiten des Pianos. Was letztlich daraus entsteht? Ich weiss es nicht.

Sie haben für Ihren Geburtstag eine Carte blanche erhalten und dürfen im Progr tun, wonach Ihnen der Sinn steht. Was haben Sie vor?

Das soll eine Überraschung bleiben. Zuerst befremdete mich die Idee, mich an meinem Geburtstag derart in den Mittelpunkt zu stellen, ich nehme mich da normalerweise nicht so wichtig. Doch nun haben sich einige Ideen entwickelt. Nur so viel: Der Abend wird in mehrere Teile gegliedert sein, und es wird mehrere unterschiedliche Besetzungen geben. Es werden neue Sachen zu hören sein – und es dürfte ein eher ruhiger Abend werden.

(Der Bund, erstellt 17.11.2010, 13:50 Uhr)


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